Music for the planet
Dieser Konzertzyklus steht symbolisch für Gstaad Menuhin Festival & Academy 2023 - 2025 und der im 2023 begonnen Ausgabe begonnene Wandel-Thematik.
Mit den Konzerten des Zyklus «Music for the Planet» kreiert Patricia Kopatchinskaja einen «Abschied» in Musik und Bildern, mit dem die Geigerin aufmerksam machen möchte auf die Gefährdung unseres Planeten: In der Konzertreihe «Music for the Planet» vermittelt die Geigerin Patricia Kopatchinskaja auf eindrückliche Weise Botschaften zum Zustand der Natur, der Menschheit und der Gesellschaft. In der Festivalausgabe 2025 gibt es zwei Konzertprogramme welche mit kraftvoller Musik, Texten und Bildern die vielfältigen Facetten der Migration beleuchten.
2025
Unauffälliger Rebell
Zum dritten Mal in Folge präsentiert Patricia Kopatchinskaja im Zyklus «Music for the Planet» einen kompromisslosen Blick auf den Zustand der Welt. Bereits seit 2023 gestaltet die Geigerin als Botschafterin von «Music for the Planet» die Programme der Konzertreihe. Während Kopatchinskaja in den vergangenen beiden Jahren vermehrt auf die Kraft der Bilder gesetzt, rückt sie 2025 die Eindringlichkeit der Worte in den Mittelpunk: In einem spannungsvollen Dialog stehen Poesie und Prosa des Schweizer Schriftstellers Franz Hohler, gelesen (in deutscher Sprache) von Meret Matter, zwei kammermusikalischen Meisterwerken von Dmitri Schostakowitsch gegenüber. Schostakowitsch, der als Symbol des künstlerischen Widerstands gilt, entwickelte eine raffinierte Strategie der «inneren Emigration», um den moralischen Druck des sowjetischen Regimes zu überstehen. Zusammen mit ihren langjährigen musikalischen Weggefährten, der Cellistin Sol Gabetta und dem Pianisten Francesco Piemontesi, lässt sie die Werke auf eindrucksvolle Weise völlig neu erklingen.
2025
Wurzeln im Exil
Nach Worten folgen Bilder: Marco Borggreve ist als Fotograf ein grosser Name inmitten der Klassik-«Szene». Seine Werke treten am Abend in einen inspirierenden Dialog mit allen Klangwelten, die Patricia Kopatchinskaja gemeinsam mit der Camerata Bern für das zweite Konzert ihrer «Music for the Planet»-Reihe erforscht. Ein Konzert als Ort für Austausch und Kooperation, als Zeichen von Austausch und Verbundenheit. «Die Wurzel unseres Programms liegt unterirdisch und gleichzeitig im Himmel», erklärt sie gemeinsam mit Cellist Thomas Kaufmann. «Aber am meisten in unseren Herzen. Der polnische Komponist Andrzej Panufnik glaubte, die Bäume und ihre Wurzeln haben magische Kräfte. Er liebte die Bäume seit seiner Kindheit, erfreute sich an ihren verschiedensten Formen und Farben, an ihren im Wind tanzenden Zweigen, Schluchzern, Seufzern, Rascheln der Blätter. Er stellte sich vor, dass die Wurzeln nach oben in den Kosmos und ihre Zweige in die Erde hineinwachsen. So entstanden faszinierende kurze Stücke für Streichorchester, die wir mit Fotos von Marco Borggreve, Schnittkes Cellosonate, Telemanns «Frosch»-Konzert und zahlreichen kurzen Natur-Fantasien anderer Komponisten kombinieren.»
2024
Zeit und Ewigkeit
In Patricia Kopatchinskajas «Zeit und Ewigkeit» geht es um Etappen des Umbruchs, Momente katastrophaler kriegerischer Ereignisse und ihrer Folgen, aber auch um Hoffnung. Karl Amadeus Hartmann komponierte im Jahre 1939 sein Concerto funebre aus Empörung und Verzweiflung über die Gräuel des Nazistaates, welche die europäische Zivilisation mit dem Untergang bedrohten. Das Concerto funebre kann als Passion verstanden werden, Passion als Aussage, was Menschen und allen Geschöpfen, der Schöpfung selbst und damit dem Schöpfer (Gott?) angetan wurde und wird. Frank Martin hat in Polyptyque (ein Violinkonzert, welches er 1973 für Yehudi Menuhin schrieb) die Passion Christi nach Bildern von Duccio di Buoninsegna (ca. 1255 – 1319) vertont, die auf der Rückseite des berühmten Altars Maestà in Siena zu finden sind. Frank Martin sah sich inspiriert von jener Passionsgeschichte, die erzählt, dass Gott im Elend des Zeitlichen mitleidet. Nach dem christlichen Glauben ist sein Leiden die Erlösung ins Ewige – eine Hoffnung in jeder bedrohlichen Zeit des Umbruchs, auch jener des Klimawandels? Die kraftvolle, musikalische Meditation wird von Geistlichen der polnisch-katholischen, jüdischen und russisch-orthodoxen Gemeinschaften, die einst unter der barbarischen Naziherrschaft leiden mussten, begleitet. Die Geistlichen aus dem Kanton Bern werden mit kurzen Texten ihre Haltungen zum Thema der Veranstaltung teilen. Auch wenn die Erzählungen in Originalsprache nicht wortwörtlich verstanden werden können, gewinnt das Konzert allein durch die Anwesenheit der Redner an vielschichtiger Bedeutung: der hebräische Kantor wird das Kol Nidrei vortragen, der polnische Priester wird ein Gebet sprechen, während in der Rede des orthodoxen Priesters die Auferstehung Erwähnung findet.
2024
Venezia and Beyond
Drei Jahre ist es mittlerweile her, dass Anastasia Kobekina in unserer «Jeunes Etoiles»-Konzertreihe an einem Samstagmorgen in der Kapelle Gstaad aufgetreten ist. Gefeiert vom Publikum, gewann die Cellistin im Anschluss das Gstaad Digital Festival Online-Voting 2021 und ist seither regelmässig beim Festival zu Gast. Es ist ihre aussergewöhnliche Sensibilität, die begeistert, genau wie ihre grosse Vielseitigkeit in allen stilistischen Richtungen – aktuell studiert sie Barockcello an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Ihr «Venezia and Beyond»-Programm spiegelt genau diese Vielfalt wider: Anastasia Kobekina und das Kammerorchester Basel bringen unter der Leitung von Julia Schröder vier Jahrhunderte voller Musik mit nach Saanen … von Barbara Strozzi bis Caroline Shaw, einschliesslich hinreissender Werke von Antonio Vivaldi.
Wie stellen wir die Konzerte der Reihe «Music for the Planet» in den Zusammenhang der Transformation? Venedig, Stadt der Sehnsucht und der Träume, Stadt grosser vergangener Musik, doch gleichzeitig bedeutet sie den Tod als Ort der Heimsuchungen, der Versunkenheit in Mächte, die sich nicht kontrollieren lassen. Anastasia Kobekina meditiert in ihrer Venezia-Hommage in vergangenen und neuen Tönen über Traumbilder und den grossen Topos der Vergänglichkeit dieser Lagunenstadt, deren Tage durch den Meeresspiegelanstieg in Frage gestellt sind.
2023
Grosse Werke und die Umwelt
Patricia Kopatchinskaja führt in Videobotschaften eindrücklich vor Augen, wie die Sorge um die Natur und die Gesellschaft bereits in grossen Werken von Schubert, Beethoven oder Haydn mitschwingt. Und sie gibt einen Ausblick, wie sie mit den Konzerten «Les Adieux», «Forelle» und «Die sieben letzten Worte» - dem Konzertzyklus «Music for the Planet» - die Gedanken der Komponisten in einer modernen audiovisuellen Performance auf die Bühne bringt.
2023
«Les Adieux»
In «Les Adieux» stimmt Patricia Kopatchinskaja eine szenisch-musikalische Wehklage an, in der um unseren gefährdeten Planeten getrauert wird. Von der prächtigen und klangreichen Flora und Fauna, die der Geigerin die ersten musikalischen Lehrerinnen waren, heisst es, Abschied zu nehmen, wenn die Menschen weitermachen wie bisher; nicht ohne die Hoffnung, dass das Pariser Klimaabkommen und die Agenda 2030 ernst genommen werden. Kopatchinskaja verwebt Beethovens naturverbundene «Pastorale» mit Sätzen aus Schostakowitschs erstem Violinkonzert, Robert Schumanns Violinkonzert sowie seinen «Geistervariationen». Im Zusammenspiel mit Bühnenbild und Videoprojektionen schwebt über der verzweifelten (An-)Klage ein Damoklesschwert in Form einer grossdimensionierten transparenten Leinenwolke welche mögliche kommende Adieux, Farewells und Abschiede verbildlicht.
2023
«Forelle»
Schubert schrieb das Klavierquintett über die tückisch gefangene Forelle nach einem Gedicht von Christian Schubart, der wegen Verbreitung revolutionärer Ansichten aus seinem Exil 1777 tückisch eingefangen und jahrelang eingekerkert wurde – in Einzelhaft und mit Sprechverbot. Mit dem Gedicht über die getötete Forelle beklagte er verschlüsselt sein eigenes Schicksal. Wir Nachgeborenen können darin ein Gleichnis für die malträtierte Natur sehen. Gegenübergestellt wird ein neues Werk über das Polareis, über seine Bewohner*innen und das, was ihnen die Hitze antut.
2023
«Die sieben letzte Worte»
Die «Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze», eine von Haydns anspruchsvollsten Kompositionen, enthält sieben Adagios mit Einleitung und abschliessendem Presto. Da steht «Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun», oder «Gott mein Gott, warum hast du mich verlassen», oder «Mich dürstet», oder «Es ist vollbracht»: Diese in den Evangelien überlieferten Worte Jesu werden für viele und für immer mehr Menschen, Tiere und Pflanzen bittere Realität: Eine Passion auch der belebten Natur … «In deine Hände, Herr, befehlen wir unseren Geist…».
2023
Ausstellung - Sedna
In der tausend Jahre alten Sedna-Legende geht es um das Befolgen überlebenswichtiger Regeln. Sedna, die respektierte, gefürchtete und geehrte Herrscherin des Meeres, Mutter der Meeressäugetiere, bestrafte Menschen, die sich schlecht benahmen, indem sie die Meeressäugetiere in ihren Haaren behielt, bis ein Schamane sie kämmte, um sie freizulassen.
Jetzt ist Sedna in verschiedenen Rollen abgebildet. Entweder hilft sie den Menschen, mit dem steigenden Wasser aufgrund des schmelzenden Eises umzugehen; sie schützt vor extremen Wetterbedingungen, oder ihr Leben ist aufgrund der Umweltverschmutzung und der steigenden Temperaturen in Gefahr, was dazu führt, dass giftige Quallen eine riesige Grösse erreichen.
2023
PODIUMSDISKUSSION
Was können Kulturschaffende im Kontext des Klimawandels bewirken?
Zum Auftakt der dreijährigen Konzertreihe «Music for the Planet» stellt das Gstaad Menuhin Festival die Frage nach der Verantwortung von Kulturveranstaltern, Musikerinnen und Musikern sowie nach der Rolle der darstellenden Künste angesichts des Klimawandels. Folgen Sie dem spannenden Austausch hochkarätiger Künstlerinnen mit Vertreter*innen aus Wissenschaft und Klimaaktivismus.
Die Diskussion findet in deutscher Sprache statt und wird für Gstaad Digital Festival aufgezeichnet.
Podiumsgäste: Marie Claire Graf (Aktivistin für Klimagerechtigkeit), Patricia Kopatchinskaja (Violinistin), Mirga Gražinytė-Tyla (Dirigentin), Angaangaq (Schamane der Inuit – per Video-Botschaft) und Dr. Felix Keller (Glaziologe).
Gesprächsleitung: Moritz Weber
Im Anschluss an das Konzert «Les Adieux», Festival-Zelt Gstaad