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18. Juli — 6. September 2025

Zyklus «Wandel III» 2023 — 2025

Ironie & Musique

Rossini litt unter schweren Depressionen, Haydn war 30 Jahre lang im Dienste seines Fürsten in Eisenstadt abgeschieden vom Geschehen in den Metropolen Wien, Paris und London und litt unter Einsamkeit und Isolations-Gefühlen; Schuberts Melancholie war durch zermürbende Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle geprägt, Mozart verschlang seine Lebenskräfte und Lebensenergien in Arbeitswut und unkontrolliertem Lebensstil, Beethoven litt schon früh unter massiven Gehörproblemen, Augenleiden und ständigen Magenkoliken, Schumanns Leben endete in geistiger Umnachtung, nachdem er zeitlebens an starken Depressionen gelitten hatte, Mahler kämpfte mit schweren psychischen Problemen; Tod und Verzweiflung, Trennung und Schmerz konfrontierten ihn in jeder Lebensphase; der auch als Egomane bezeichnete Richard Strauss durchlebte in seinen Jahren die barbarischsten Kriege und litt am Wandel der Zeit von Spätromantik bis zur Moderne, Schostakowitsch litt unter Repression der Diktatur und unter ständiger Angst der Zensur, ja sogar der Bedrohung durch Beseitigung in die gefürchteten Arbeitslager durch den Diktator Stalin, Prokofieff, der am selben Tag verstarb wie sein ideologischer Peiniger Stalin (1953), litt, wie Schostakowitsch, lebenslänglich unter dessen Schikane.
Und dennoch stehen alle diese Musiker auch dafür, dass sie einen ausgeprägten Sinn für das ironische Element in der Musik besassen und dass sie Ironie dann einsetzten, wenn es um einen Ausdruck in der Musik geht, der den Hörer zum Schmunzeln bringen will. Schmunzeln löst aber doppelbödige Fragen aus. Will die Musik amüsieren, unterhalten, komödiantisch sein, schlicht: lustig? Ist es nur eine Andeutung einer humoristischen Randnotiz, eine Reminiszenz? Oder ist die Ironie Ausdruck von Verzweiflung, Sarkasmus oder gar Revolte? Ist Ironie Ausdruck von Sich-lustig-machen über andere, von Schadenfreude, Spott und Hohn? 

Das Musikleben unserer Festivals und Konzertreihen wird glücklicherweise immer stärker aufgemischt durch vielfältige Stil-Begegnungen, Austausch unterschiedlicher Genres und einen neuen Umgang mit ironischen und humoristischen Elementen. Oft sind es die ausführenden Musiker selbst, die Universalgenies sind und ihre Genialität unterschiedlich zum Ausdruck bringen: Das weltbekannte Blechmusik-Ensemble  „Canadian Brass“ beispielsweise verbindet höchste Blechmusik-Kunst mit Comedy, die King’s Singers stehen für perfekte vokale Harmonie und scharfen englischen Humor, der Harfenist Xavier DeMaistre tritt mit einem Zauberer und „magischen 4 Händen“ auf, das geniale Musiker- und Komikerduo „Igudesman und Joo“ amüsiert sich auf höchstem musikalischen Niveau über den professionellen Musikbetrieb, und der Pianist Stefano Bollani, in Italien mit eigener TV-Show am staatlichen Sender RAI, ist genialer Jazz- und Konzertpianist und Entertainer in einem. Alle sie sind Botschafter einer Generation von Musikern, die keine Grenzen zwischen Genres, Stilen und Kulturen kennen, die klassische Musik als allumfassend und populär betrachten und sie auch entsprechend vermitteln – und dies, ohne je in billige oder banale Entertainment-Manier zu verfallen. 
Dennoch ist Ironie in der Musik doch meist ein Kontrast zur eigentlichen Botschaft eines Komponisten, die durch ironische Ansätze verstärkt, unterstrichen, herausgehoben sein will, ist Ironie eben ein Ausdrucksmittel, „Ironie comme expression“, wie wir unsere Kammermusik-Reihe bezeichnen im kommenden Sommer. Es bleibt uns Hörern überlassen, was wir damit tun, ob wir uns unterhalten lassen möchten durch die subjektiven Höreindrücke oder uns einlassen auf die eigentliche Reise des Komponisten zum Kern der Sache und der eigentlichen Inspiration. 
Humor und Ironie haben ihren festen Platz in der klassischen Musik, und doch hat man leider oft das Gefühl, dass die Welt der Klassik zu ernst und zu steif daherkommt. Das Menuhin Festival Gstaad möchte 2015 einen Beitrag dazu leisten, aufzuzeigen, wie unterhaltend, aber ironisch intelligent Klassik sein kann und auch gehört werden soll. Oft sind es die Musiker selbst, die die Musik schlicht zu ernst nehmen oder sie zu sehr mit Aufführungs- und Interpretationskonventionen belasten. Wir möchten die Expressivität und Bedeutung der Musik nie verharmlosen, aber eventuell durch unser Festivalthema Türen öffnen für Besucher, die einen unverkrampfteren Zugang zur Welt der Klassik bisher vermisst haben. 
Wir freuen uns mit Ihnen auf einen Sommer voller ironischer und humoristischer Randnotizen und vieler tiefen-wirksamen Einblicke in die wahren Abgründe und Tiefen menschlicher Seelen.